Das zweckhafte Anordnen und Errichten von Orten ist eine zentrale
Aufgabe der Architektur. In der wechselseitigen Beziehung zwischen
architektonischen Formen und Räumen und den äußeren und inneren
Bedingtheiten, unter denen sie wahrgenommen werden, kommt der Farbe
als allgegenwärtigem Phänomen eine besondere Bedeutung zu.
Aufgrund ihrer dialektischen Begründung als physikalische Tatsache
(Materie und Licht) und als physiologische Erscheinung (als
Erlebnisqualität, die das Gehirn generiert), ist ihre rein
naturwissenschaftliche Beschreibung ebenso unzulänglich, wie eine rein
subjektive Deutung. Das Phänomen Farbe entwickelt eine Wirkung als
Interaktion von Subjekt, Materie, Raum, Licht und Zeit unabhängig von
seiner Definition und Entstehung. Es existiert kein Ort ohne Farbe -
sie wirkt unmittelbar auf die Wahrnehmung und das Befinden des
Betrachters ein.
Die Erforschung dieses komplexen Wirkungsmechanismus als Grundlage
gestalterischer Strategien in allen Bereichen der gesellschaftlichen
Umgebung kann, unter Einbeziehung des Subjektiven und unter
Berücksichtigung zahlreicher Positionen aus unterschiedlichen
Fachgebieten gelingen.
Das Forschungsvorhaben „Orte der Farbe“ resultiert aus dieser
Überlegung.
Das Wissen über Farben und ihre vielfältigen Konnotationen und
Wechselwirkungen soll unter dem Gesichtspunkt der für Architektur und
Design zentralen Frage der raumzeitlichen und atmosphärischen Stimmung
des Subjekts durch ‚Orte der Farbe’ neu zusammengeführt werden. ‚Orte‘
verstehen wir dabei als spezifische Konstellation in Raum und Zeit -
und zwar in allen Maßstabsbereichen. In der Zusammenführung eröffnen
sich neue Kategorien für die Konzeption und Ordnung von Räumen, die
über die Möglichkeiten der Geometrie hinausführen, und die der
Entwurfsforschung zugeordnet werden können. Nicht zuletzt lassen sich
auch fachübergreifende Erkenntnisse für eine architekturspezifische
Farbenlehre gewinnen, die den besonderen Anforderungen eines
raumzeitlichen Umgangs mit Farbe entspricht.