Detlef Beer
Orte der Farbe im Bild auf der Leinwand im Atelier
des Künstlers
Als bildender Künstler, insbesondere als Maler mit Pinsel und Farbe
vor der Leinwand, ist für mich das Atelier der wichtigste Ort der
Farbe - dort wo meine Bilder entstehen. Dieser architektonische Ort
ist sehr einfach gehalten mit weißen Wänden und grauschwarzem
Fußboden. Hier entsteht mein eigentlicher Ort der Farbe: im Malen
eines Bildes der Ort der Farbe auf der Leinwand im Wechselspiel zum
Ort der anschaulichen Erkenntnis durch den kontrollierenden Blick des
Auges. Bis jener während des Malens zu erreichende Ort der Farbe eine
endgültige Fassung auf der Leinwand findet, gibt es im Prozess des
Entstehens ein ständiges Wechselspiel zwischen Auge und Leinwand,
zwischen subjektiv-gedanklichem Ort der Bildidee und
objektiv-materialem Ort der ausgeführten Malvorgänge auf der Leinwand.
Diese Tatsache ist so banal wie grundlegend und gilt jedesmal von
neuem, wobei die anteiligen Verhältnisse meiner Bildidee und deren
Ausführung von Fall zu Fall verschieden ist. Mal weiß ich genau, wie
es werden soll und wie es aus Erfahrung mit malerischen Mitteln so und
so umsetzen ist, mal habe ich nur eine ungefähre Bildidee, und das
Bild entsteht in der Auseinandersetzung mit dem gerade Entstandenem,
von dem ich Sekunden zuvor noch nicht wußte, wie es gleich aussehen
wird – Routine und Erfahrung auf der einen, Experiment und mehr oder
weniger kalkulierter Zufall auf der anderen Seite, beide oft im
Wechsel von Sekundenbruchteilen. Erst die Auseinandersetzung dieser
beiden Bedingungen zur Entstehung eines Ortes der Farbe macht die
endgültige Formulierung auf der Leinwand möglich – mit dem Resultat
des fertigen Bildes als neu geschaffenem Ort der Farbe. So dient der
architekonische Ort meines Ateliers zur Entstehung eines Ortes der
Farbe auf der Leinwand - in einem gemalten Bild.
*1963 in Wolfenbüttel, begann 1982 das Studium der Kunst- und
Werkpädagogik an der HBK Braunschweig. Darauf folgte 1987 - 1991 das
Studium der Freien Bildenden Kunst ebenfalls an der HBK
Braunschweig, Diplom der Freien Kunst, Meisterschüler bei Prof.
H.G.Prager, 1990 Studium der Kunstgeschichte an der TU Braunschweig
mit den Nebenfächern Philosophie und Geschichte. 1992 Studium der
Kunstgeschichte an der Universität Bonn mit den, Nebenfächern
Philosophie und Klassische Archäologie. 1995 Magister Artium.
Arbeitet
als bildender Künstler mit Schwerpunkten Malerei und Zeichnung.
Peter Bialobrzeski
Peter Bialobrzeski studierte Politik und Soziologie bevor er in
seiner Geburtsstadt Wolfsburg als Fotograf arbeitete. Nach seinem
Studium des Kommunikationsdesign mit Schwerpunkt Fotografie in Essen
(Folkwangschule) und London (LCP) arbeitete er zunächst für
internationale Zeitschriften, bevor er Ende der 90er Jahre begann,
seine Projekte in Buchform zu publizieren. Im Mai 2016 erschien sein
13. monographisches Buch. 2002 wurde Bialobrzeski als Professor für
Fotografie an die Hochschule für Künste Bremen berufen. 2003 und
2010 gewann er einen WorldPressPhoto Award. 2012 wurde er mit dem
DR. Erich Salomon Preis der deutschen Gesellschaft für Photographie
geehrt. Seine Bücher wurden mehrfach gewürdigt, unter anderem mit
dem „Deutschen Fotobuchpreis“, sowie der Auszeichnung „Eins der
schönsten deutschen Bücher.“ Seine Fotografien sind in Einzel- und
Gruppenausstellungen auf allen fünf Kontinenten gezeigt worden und
befinden sich in zahlreichen privaten und öffentlichen Sammlungen.
Peter Bialobrzeski lebt in Hamburg.
Nikolaus Bienefeld
Die Architektur der Farbe
*1958 in Wesseling, studierte von 1983 – 1989 Malerei und
Bildhauerei an der Kunstakademie Düsseldorf, war Meisterschüler bei
Prof. Jan Dibbets. 2000 – 2001 Professor i.V. an der FH Lippe und
Höxter in Detmold im Fachbereich Architektur und Innenarchitektur in
den Bereichen Grundlagen des Entwerfens sowie Raum und
Farbgestaltung. Seit 2007 Lehrbeauftragter für Konstruktion und
Entwurf an der Fachhochschule Köln Konzeptuelles Entwerfen /
Konstruktion. Seit 2009 Professor Vertreter für Konstruktion und
Entwurf an der Fachhochschule Köln Konzeptuelles Entwerfen /
Konstruktion im Bachelor– und Masterstudiengang. Seit 2014 Professor
für Entwerfen, Konstruktion und Gebäudelehre.
Jasper Cepl
Zur Verortung der Farbe im Architekturdenken
Als Ort der Farbe steht der Audienzsaal im Schloss Augustusburg,
Brühl, am Anfang der Betrachtung. Dort gibt es eine reiche Stuckdecke,
die Fragen aufwirft. Die plastischen Formen werden in ihr durch
gemalte, farbige Scheinschatten begleitet. Sie sollen den Eindruck
erwecken, als sei der Saal mit Sonne erfüllt. Die Farbe sorgt so für
eine Wirkung, die vom Licht herrühren müsste. Ausgehend davon stellt
sich die Frage, wie Licht und Farbe zueinander stehen und inwiefern
sie einander ergänzen. Über das Zusammenspiel, aber auch über den
Widerstreit von Licht und Farbe in der Architektur ist viel gesagt und
geschrieben worden. Ein Blick auf eine Reihe unterschiedlicher
Sichtweisen soll im folgenden verdeutlichen, wie man Licht und Farbe
jeweils verstehen kann. Gefragt werden soll weiter danach, welche
eigentümlichen Eigenschaften Licht und Farbe jeweils aufweisen und wie
ihnen ein gebührender Platz unter den architektonischen
Gestaltungsmitteln zugewiesen werden könnte. Beide können
gleichermaßen zur Klärung oder Verklärung von Form und Raum eingesetzt
werden. Es ist zu letzterem gesagt worden, dass die Stimmung des
Raumes von seiner Farbe abhängt, oder von seiner Beleuchtung;
anderseits verdanken wir es aber auch dem Licht und der Farbe, dass
die Formen für uns erst erkennbar werden.
Zudem fragt sich, wie die Farbe als architektonisches
Gestaltungsmittel weiter verortet werden kann und welchen Beitrag sie
neben den plastischen Mitteln bei der Modulierung der
architektonischen Oberfläche spielt. Desweiteren ist die Frage, was es
bedeutet, wenn die Farbe aus der Materialität hervorgeht, oder wenn
die Farbe sie überspielt (wie etwa in Karl Friedrich Schinkels
Verwendung von Zinkguss-Bauteilen, die als solche nicht mehr zu
erkennen sind)?
Wie hier angedeutet, soll versucht werden, Farbe im Vergleich mit
anderen architektonischen Gestaltungsmitteln genauer zu erfassen.
*1973, Studium der Architektur an der RWTH Aachen und der TU
Berlin. Diplom 2000, Promotion zum Dr.-Ing. 2006. Habilitation im
Fach Architekturtheorie 2013. Professor für Architekturtheorie an
der Hochschule Anhalt in Dessau. Davor u. a. 2003–2013
Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der TU Berlin. Zahlreiche
Veröffentlichungen zu Architektur und Städtebau in der Moderne,
u.a.: Oswald Mathias Ungers. Eine intellektuelle Biographie, Köln
2007.
Elger Esser
*1967 in Stuttgart, er verbrachte seine Kindheit und Jugend in Rom,
was ihn nachhaltig geprägt hat. Seit Mitte der 1980er Jahre lebt
Elger Esser in Düsseldorf, wo er erst eine Ausbildung zum Fotografen
machte, bevor er 1991 an die Kunstakademie Düsseldorf wechselte.
Elger Esser ist einer der letzten Meisterschüler der Klasse von
Bernd und Hilla Becher. Während des Studiums unternahm er erste
Reisen nach Frankreich und Italien. Die klassischen Bildgattungen
Vedute und Landschaft bilden seitdem den Kern seines künstlerischen
Schaffens. Von 2006 bis 2009 war er Professor an der Staatlichen
Hochschule für Gestaltung Karlsruhe, 2008 folgte eine Gastprofessur
für Fotografie an der Folkwang Schule in Essen. 2016 erhielt er den
Oskar-Schlemmer-Preis. Elger Essers Werke sind in zahlreichen
Museen, wie unter anderem im Guggenheim und Metropolitan Museum of
Art in New York, im Stedelijk-Museum Amsterdam, Kunsthaus Zürich,
sowie im Centre Pompidou in Paris vertreten.
Markus Grob
Farbe an Wänden
Was ist Farbe? Noch bevor Farbe an Wänden, in Räumen aufscheint und
ihre Wirkung tut, ist sie beides, ein Material, das in Eimern
angeliefert wird und eine Palette von Tönen. Erst, wenn diese beiden
Aspekte zusammentreffen, ineinander übergehen und sich miteinander
verbinden, an den Wänden also, beginnt Farbe zu wirken. — Hier wird
ein Gedankengang bei Eimern und Paletten begonnen, um über ein
konkretes Raumerlebnis in einer architekturtheoretischen Konfabulation
zu münden und an einem letzten Beispiel zu Schlüssen geführt zu
werden.
Markus Grob wurde 1952 in Bern geboren und lebt in Karlsruhe. 1984
erhielt er das Diplom der ETH als Architekt. Darauf verbrachte er
seine Zeit in Wien. 1996 wurde er Stipendat der Akademie Schloß
Solitude in Stuttgart. 1998 folge die Berufung an die staatliche
Hochschule für Gestaltung in Karlsruhe. Ab 2006 arbeitet er in
fortlaufende Zusammenarbeiten mit Pfister, Schiess und Tropeano
Architekten in Zürich. Seit 2015 ist er Berater für die
Neugestaltung des Museums für Brotkultur Ulm. Unteranderem
veröffentlichte er: „Freie Sicht auf Pforzheim", mit Isabel Greschat
und Bernhard Friese. Regensburg 2015; „Die Arbeit der Architekten",
in: Villa Patumbah, Monografien der Denkmalpflege 7, Zürich 2014;
„Dächerstreit: Flachdach - Steildach", adocs Hamburg 2014;
„Chronotopie«, in: Ein Haus für die Stadt, Verlag Neue Züricher
Zeitung, Zürich 2011; „Gründe, daß es eine Stadt nicht mehr geben
kann", Raketenstation Hombroich 2004; „Tun der Architektur", Edition
Solitude Stuttgart 1996
Birgit Haase
Präsenz(en) der Moderne im Second Empire
Seit den 1860er Jahren veränderte der Einsatz erster synthetischer
Textilfarbstoffe das Erscheinungsbild der Damenmode grundlegend und
revolutionierte auf diesem Weg die moderne Farbwahrnehmung. Indem sie
die Sichtbarkeit modisch gekleideter Frauen vor allem im
großstädtischen Kontext steigerten, wirkten die intensiven Nuancen von
Anilinfarben als unübersehbares Fanal einer neuen Zeit. An diesem
Beispiel wird herausgearbeitet, inwiefern räumliche und
geschlechtliche Präsenzen der Moderne nach der Mitte des 19.
Jahrhunderts über Stoffe und Farben in der Kleidermode kommuniziert
wurden.
Prof. Dr. Dipl.-Ing. Birgit Haase - Abschluss als Diplomingenieurin
für Bekleidungstechnik (FH), anschließend Studium der
Kunstgeschichte und Geschichte an der Universität Hamburg; Promotion
zum Thema Malerei und Mode im Impressionismus (veröffentlicht unter
dem Titel „Fiktion und Realität...“, Weimar (VDG) 2002). Seit 2008
Professorin für Kunst- und Modegeschichte / Modetheorie an der
Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg. Zahlreiche
nationale und internationale Vorträge, Publikationen und Projekte zu
folgenden Forschungsschwerpunkten: Europäische Kleidungsgeschichte;
Kunst und Mode, insbesondere des 19. und 20. Jahrhunderts;
Modetheorie; objektbasierte Kleidungsforschung; Geschichte der
Modeausbildung in Hamburg (Stichwort: „Archiv Armgartstraße“).
Jürgen Hasse
Die »Farbe der Stadt« – zur situativen
Farb-Wahrnehmung von Architektur
Farbe wird im Bereich der Architektur an Bauten bzw. deren Materialien
wahrgenommen. Dabei kommunizieren die Oberflächenfarben mit den
Flächenfarben, die in ihrem quasi-stofflichen Charakter
Erlebnis-Hintergründe bilden. Farbe erweist sich in der relativen
Stetigkeit ihrer Präsenz als kategoriales Medium der Architektur. Sie
vermittelt symbolische Bedeutungen und leiblich spürbare Eindrücke.
Trotz ihrer suggestiven und immersiven Macht beeindruckt keine Farbe
ohne einen Träger. Meist sitzt sie physischen Stoffen auf. In ihrem
Eindrucks-Effekt kombiniert sie sich mit dem Affizierungspotential von
Textur und Gestalt der Baustoffe. Deshalb gibt es nicht nur farbiges
Gestein, sondern gelblich-ockerfarbenen Sandstein, der sich mit
Gefühlen der Behaglichkeit aufladen lässt und weißlichen Tuffstein,
der sich für die Inszenierung des Morbiden (z.B. in der
Grabarchitektur) anbietet. Der ästhetisch „programmierte“ Stein bietet
sich als Fassadenmaterial an, das im natürlichen wie im künstlichen
Licht Atmosphären tönt und das Erleben eines Ortes stimmt. Dabei
spielt die Funktion eines Ortes in der Gesellschaft eine zentrale
Rolle. Farbe ist ein kommunikatives Element von Architektur. Daher
steht sie im Sinne von Hermann Schmitz im Rahmen von Situationen. Eine
Situation hat drei Ebenen, auf denen sich je spezifische Bedeutungen
konstituieren. Evident ist (1) der sachverhaltliche Charakter der
Farbe, der Umstand, dass sie – so oder so – an einer Sache „ist“. In
aller Regel folgt sie in ihrem Ausdruck (2) einem Programm; sie soll
eine bestimmte atmosphärische Wirkung entfalten und die Konstitution
einer Stimmung fördern. Mitunter wird sie (3) für die von einer
Farb-„Emission“ Betroffenen zum Problem. Die situative Gebundenheit
von „Farblichem“ steht auch im Hintergrund von Lewis Mumfords Metapher
von der „Farbe der Stadt“, Rilkes „schwarzer“ Stadt“ und Minkowskis
„schwarzem Raum“.
Hasse, Jürgen, Dr. rer. nat. habil. Von 1993 bis 2015
Universitätsprofessor am Institut für Humangeographie der
Goethe-Universität Frankfurt am Main. Forschungsschwerpunkte:
Phänomenologische Raumforschung, Mensch-Natur-Verhältnis. Zahlreiche
Buchveröffentlichungen zu phänomenologischen und
kulturwissenschaftlichen Themen. Zuletzt: Atmosphären der Stadt
(JOVIS 2012), Was Räume mit uns machen und wir mit ihnen (Alber
2013), Der Leib der Stadt (Alber 2014). Im Frühjahr 2015 bei Herder:
Versunkene Seelen. Begräbnisplätze ertrunkener Seeleute im 19.
Jahrhundert.
https://jhasse.com
Isabel Haupt
Materialfarbigkeit. Anmerkungen zu Semantik und
Substanz farbiger Materialien bei historischen Bauten
Bestimmen Baustoffe mit ihrer Materialfarbigkeit
Architekturoberflächen, sind Farbe und Form – und zudem oftmals auch
Konstruktion – untrennbar miteinander verbunden. Ausgehend von der ab
1932 auf der Schweizer Rheinseite bei Möhlin erbauten Baťa-Kolonie
wird der Einsatz farbiger Materialien als «Informationsträger»
(Bandmann) beleuchtet. Historische materialsichtige
Architekturoberflächen entwickeln zudem mit ihren Alterungsspuren eine
ganz spezifische Ästhetik und ihre Originalsubstanz macht sie zu
aussagekräftigen Geschichtszeugnissen. Damit werfen materialfarbige
Oberflächen bei historischen Bauten hinsichtlich des möglichen Umgangs
mit ihrer Substanz ganz andere Fragen auf als Farbfassungen bemalter
Häuser. Anhand ausgewählter Beispiele werden die spezifischen
Herausforderungen zwischen Erhalt und Ersatz farbiger Materialien
thematisiert.
Isabel Haupt, Dr. sc. techn. ETH, stellvertretende Denkmalpflegerin
des Kantons Aargau (CH), hat an der TU München Architektur studiert,
unterrichtete an verschiedenen Hochschulen und pflegt seit 2007
hauptberuflich Denkmale.
Andreas Hebestreit
Die Farbe im Zeitalter der Aufklärung
Als repräsentativer „Ort der Farbe“ im Zeitalter der Aufklärung wurde
die so genannte Sommerprälatur im südbadischen Schloss Salem gewählt.
Der eigentliche Ausgangsort für eine Interpretation der Farbe im
Zeitalter der Aufklärung ist diesem Raum allerdings vorgelagert. Und
zwar sowohl räumlich als auch zeitlich. Es ist ein gleichsam
utopischer Ort, den es erst noch näher zu umschreiben gilt. Der
Grundriss stammt von Isaac Newton, der damit die Prinzipien der
Glorious Revolution illustriert. Der aufgeklärte Absolutismus macht
sich diese enzyklopädisch ausgebreitete Farbigkeit unter den
Vorzeichen des irisierenden Muschelwerks zu Eigen. In der zweiten
Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts verlangt ein emergentes Bürgertum
an Stelle eines höfischen Schimmerns und Glänzens zunehmend nach einem
klaren Bekenntnis zur Farbe als Substanz und Materie. Mit dem Ruf nach
Malerischem unterstreicht das aufstrebende Bürgertum seinen Anspruch
auf eine substantielle Beteiligung an Macht und Wohlstand.
*1944 als Sohn des Architekten Hans-Joachim Hebestreit. Nach dem
Abitur verfolgte er zunächst die Absicht Kunsterzieher zu werden.
Nach einem Studienjahr in Genua wechselte er aber in die
Kommunikationsberatung. Neben seiner Tätigkeit als bildender
Künstler hat er sich ständig autodidaktisch weitergebildet.
Buchveröffentlichungen: „Die vielen, die wenigen und die anderen,
Eine Kulturkritik“ (1995), „Die soziale Farbe, Wie Gesellschaft
sichtbar wird“ (2007), „Im Namen des Wolfs, Über keltische „rites de
passage““ (2013).
Aufsätze und Vorträge unter
www.symbolforschung.ch
Günter Kollert
Farbe und Raum - Zur ontologischen Verortung der
Farbe
Für die naive Weltsicht erscheinen die Farben als akzidentelle
Eigenschaften der Dinge im absolut angenommenen dreidimensionalen
Vorstellungsraum. Genauer betrachtet erweist sich letzterer als eine
der Farbe nachgeordnete Komponente der gedanklich vermittelten
Gestaltwahrnehmung. Die gedankliche Verarbeitung der Farbe als solcher
führt auf die Ordnung und Logik der Farben. Die übliche Darstellung
der Farbenordnung in einem wie auch immer gearteten dreidimensionalen
Farbsystem kann nie alle Beziehungen abbilden, die sich hierbei
ergeben. Alternativ hierzu wird ideeller ein Ordnungsraum der Farben
mit dedoppelter Dimensionalität vorgeschlagen. Verzichtet man auf
hypothetische Reduktion der Farbe auf stoffliche oder energetische
Substrate, wird die Farbqualität als Element reiner Inhaltlichkeit
denkbar; der objektive Charakter der letzteren erweist sich einerseits
durch die widerspruchsfreie Schlüssigkeit von Farbenordnung und
-logik, andererseits durch die in der Farbmetrik unabhängig vom
Substrat mathematisch darstellbare Valenz der konkret wahrgenommenen
Qualität. Diese Bruückenstellung bestimmt den eigenständigen
ontologischen Ort der Farbe.
Günter Kollert, geb. 1949 in Nürnberg. Studium der russischen und
deutschen Philologie in Erlangen, Tübingen und Heidelberg. Nach
Seminarausbildung Pfarrer der Christengemeinschaft in São Paulo und
verschiedenen deutschen Städten, zuletzt Erfurt. Publikationen in
portugiesischer und deutscher Sprache zu geschichtlichen und
literarischen Themen im Sinne kritischer Kultureflexion. Darunter: O
cosmos das cores. Um compêndio da teoria das cores segundo Goethe,
São Paulo 1992; Weimar – Cambridge und zurück. Goethe, Wittgenstein
& die Welt der Farben, Stuttgart 2008
Léon Krier
Johannes Kühl
Der Ort der Farbe – die Atmosphäre der Erde
Ausgehend von einem besonderen Regenbogen-Erlebnis möchte ich zeigen,
wie alle Wege zur Erscheinung von Farben, die wir in der Physik
kennen, in der Atmosphäre der Erde anzutreffen sind. Hier, in der
Trübe zwischen Sonne und Erde, können die Verhältnisse auftreten, die
auf ganz verschiedene Weise Farbe aus nicht farbigen Bedingungen
hervorbringen. Dies kann im Einklang mit Goethes Zugang zur Farbe
angeschaut werden, ohne in einen Widerspruch zur übrigen Physik zu
geraten.
*1953 in Hamburg. Nach dem Besuch der Waldorfschule und Zivildienst
in der Landwirtschaft Studium der Physik, Mathematik und Chemie in
Hamburg und Göttingen. Anschließend wissenschaftliche Mitarbeit an
der naturwissenschaftlichen Sektion am Goetheanum in Dornach,
Schweiz. Von 1982 bis 1996 Oberstufenlehrer an der Waldorfschule
Stuttgart Uhlandshöhe. Seit 1996 Leiter der Naturwissenschaftlichen
Sektion. Arbeiten zu verschiedenen Gebiete der Physik und
Technologie, insbesondere goetheanistische Optik und Farbenlehre,
sowie zur Physikdidaktik.
Publikationen u.a.: Höfe, Regenbögen,
Dämmerung. Stuttgart 2011
Wolfgang Meisenheimer
Orte der Farbe
Die Redeweise „Orte der Farbe“ wird von Erlebnissen meiner Kinderzeit
her beleuchtet. Es ergibt sich, dass schon bei den frühesten
Erfahrungen zwei Arten von Wirklichkeit eine Rolle spielten:
Erlebnisraum-Merkmale einerseits und begriffliche Strukturen
andererseits. Die Erlebnisräume wurden von sinnlicher Wahrnehmung,
Erinnerung und Erwartung, also durch die Gefühlswelt, körperliche
Bewegungen und eine komplexe Erfahrung des eigenen Leibes geprägt. Die
rational-logischen Strukturen dagegen, das Verständnis der
Farben-Physik und der Farben-Technik, wurden durch Lernvorgänge,
Schule und Elternhaus aufgebaut und kontrolliert. Es wird deutlich,
dass die Erkenntnisse der Farben-Welt vielschichtig sein müssen. Zu
bestimmten Erlebnis-Phänomenen und Denkfiguren gehören jeweils
andersartige Begriffe und Möglichkeiten der Verständigung. Selbst die
Basis-Begriffe des Symposions, „Farbe“ und „Ort“, sind in den
Erlebnisbereichen Wahrnehmung und Kunst anders zu verstehen als in der
Physik und der technischen Produktion.
Geboren 1933 in Düren. Architekt. Zahlreiche Bauten in Düren. Em.
Professor für Grundlagen des Entwerfens bei der F.H. Düsseldorf.
Leiter der Akademie des Deutschen Werkbundes NW. Reiche
künstlerische Arbeit, Architektur, Malerei, Plastik, Poesie..
Buchpublikationen: u.a. Choreographie des architektonischen Raumes
(1998), Das Denken des Leibes und der architektonische Raum (2004),
Der Rand der Kreativität. Planen und Entwerfen (2010).
Schattengespräche (2011)
Michael Mönninger
Farbe – Das Lächeln der Materie
Die Farbe hat in der Architektur der Moderne einen schweren Stand.
Ihre Verwendung ist nirgends selbstverständlich, sondern bedarf stets
der Rechtfertigung. Aufgetragene Farbe ist weder direkt an ihren Ort
noch an ihren materiellen Träger gebunden und löst den Zusammenhang
von Ding und Werkstoff auf. Farbe ist die atmosphärisch ein Halb-Ding
zwischen Raum und Betrachter; sie tendiert zur subjektzentrierten,
stimmungsbezogen Wahrnehmung. Farbwirkungen werden ähnlich distanzlos
wie Geruch und Klang wahrgenommen. In der Welt der Farbe spielen
Emotion, Gemütslage und Organempfindung eine zentrale Rolle und machen
intersubjektive Begründungen äußerst schwierig.
Damit widerspricht Farbe dem universellen Geltungsanspruch der
Architektur als öffentliche Kunst gerade in der Moderne nach 1800, die
die Rezeption des Gebauten objektivieren will.
Gegen diese verbreitete Farbenskepsis gibt es Versuche einer
Rehabilitierung der Farbe, die von Goethe bis zur Kunst der De
Stijl-Bewegung reichen. Es geht um die sinnlich-sittliche
Wirkungsästhetik der Farbe, die geschlossen Räume aufsprengt und neue
plastische, zuweilen a-tektonische Bezüge eröffnet. Am Beispiel eines
frühen Farbraumes von Rem Koolhaas – das Nederlands Danstheater in Den
Haag 1987 – soll beschrieben werden, wie Farbe als Schnittstelle
zwischen Oberfläche und Raum eingesetzt wird.
In der Ornamenttheorie des 19. Jahrhundert galt die Dekoration als
„das Lächeln der Materie“, als Belebung des Anorganischen durch
beseelende Formgebung. Vielleicht ist die Farbe das, was nach der
totalen Verdrängung des Ornaments von dem Versöhnungsgedanken einer
dem Menschen zugetanenen, lächelnden Materie heute übrig geblieben
ist.
*1958 in Paderborn, Studium der Germanistik, Philosophie,
Soziologie und Kunstgeschichte in Frankfurt am Main.
Magister-Abschluss 1985. Promotion 1995 in Karlsruhe bei Heinrich
Klotz und Hans Belting über Kunsttheorie im 19. Jahrhundert. 1995/96
Fellow am Wissenschaftskolleg zu Berlin. 1999/2000
Lehrstuhlvertretung für Friedrich Achleitner an der Universität für
Angewandte Kunst Wien. Von 1986 bis 2007 Redakteur,
Architekturkritiker und Auslandskorrespondent u.a. bei F.A.Z.,
SPIEGEL und DIE ZEIT. Seit 2007 Professor für Geschichte und Theorie
der Bau- und Raumkunst an der Hochschule für Bildende Künste in
Braunschweig.
Forschungsschwerpunkte: Städtebau im 19. Jahrhundert;
Reurbanisierung der Nachkriegsmoderne, Raumtheorie.
Jüngste Veröffentlichungen:
(Hg.) Camillo Sitte Gesamtausgabe. Bd. 1 - 6. Böhlau-Verlag,
Wien-Köln-Weimar 2003-2014
Coop Himmelb(l)au, Complete Works. Taschen-Verlag, Köln 2010
Von der Sozialutopie zum städtischen Haus. Texte und Interviews von
Hans Stimmann. DOM-Publishers, Berlin 2011
Zwischen Traum und Trauma. Stadtplanung der Nachkriegsmoderne.
DOM-Publishers, Berlin 2011
Olaf Müller
Olaf L. Müller (geb. 1966) studierte in Göttingen zunächst Mathe
und Informatik, bis er seine Leidenschaft fürs Philosophieren
entdeckte. Nach einem Forschungsaufenthalt in Los Angeles
veröffentlichte er seine sprachphilosophische Doktorarbeit (1998).
An der Krakauer Universität ging er theoretisch und im Selbstversuch
der Frage nach, wie man die Moralsprache einer fremden Gemeinschaft
selbst dann ohne Dolmetscher und Wörterbücher entschlüsseln kann,
wenn deren Moral von der eigenen stark abweicht (2008). Parallel
dazu verteidigte und vervollständigte er nach Forschungen in Harvard
den bahnbrechenden Beweis des Harvard-Philosophen Hilary Putnam, dem
zufolge wir nicht in der Matrix stecken: Wir können uns
hundertprozentig sicher sein, so die Schlussfolgerung, dass wir
nicht seit Beginn unserer Existenz durch und durch von einer
perfekten Computersimulation gefoppt werden (2003;
gehirnimtank.de
im Webarchiv). Seit 2003 ist er Professor für
Wissenschaftsphilosophie an der Humboldt-Universität Berlin. In
Forschung und Lehre vertritt O.M. mit Vorliebe Behauptungen, die von
seinen Kolleginnen und Kollegen für klar falsch gehalten werden; er
gilt als Experte für steile Thesen. So ist er einer der letzten
Anhänger des philosophischen Pazifismus, plädiert für eine radikale
weltweite Umverteilung zur gerechten Lösung des Klimaproblems, hält
den Euro für auflösbar und spricht sich gegen das bald
vollautomatisch fahrende Google-Auto aus. Trotz seiner Kritik an und
Angst vor Google & Co stehen die meisten seiner Aufsätze kostenlos
im Netz. Zuletzt erschien sein Buch "Mehr Licht" (2015), in dem er
Goethes Angriff auf Newtons Optik anhand zahlloser alter und neuer
Farb-Experimente weitgehend recht gibt (farbenstreit.de). Sein nächstes Buch wird unter dem Titel "Zu schön, um falsch zu
sein" bei Fischer erscheinen (2019); hier geht es um die rätselhafte
und höchst erfolgreiche Rolle, die unser Schönheitssinn bei der
physikalischen Arbeit spielt. In seinem übernächsten Projekt plant
er die Existenz einer immateriellen Seele zu beweisen, die unseren
körperlichen Tod überleben könnte.
Anne Marie Neser
Radikal in Farbe
Architektur appelliert an all unsere Sinne. Sie sind die Maßeinheit,
die in Windeseile die Qualität eines Raumes ermisst und ihn als
akzeptabel oder eben unbrauchbar bestimmt. Teil dieses
architektonischen Systems sind die Farben und Oberflächen, die mit der
Form interagieren. Farben haben eine unmittelbare Wirkung auf die
Wahrnehmung der architektonischen Umgebung und damit beträchtlichen
Einfluss auf unser Wohlbefinden. Um das Potential von Farbe in der
Architektur zu verstehen, muss man erforschen, wie sich Farben an
einem bestimmten Ort im vorhandenen Licht entfalten, wie sie ihre
Umgebung beeinflussen und die Erfahrbarkeit des Ortes unterstützen.
Eine konzentrierte Wahrnehmung, das genaue Beobachten und Erforschen
führt zum Erkennen und im besten Fall zu Transformation und
Gestaltung. Dazu gehört zuerst auch ein nicht zielgerichteter
Wahrnehmungsprozess, um die unterschiedlichen Aspekte eines komplexen
Systems aufzuspüren; dazu gehört dann der Blick von oben, der derzeit
eine Renaissance erlebt und den Maßstab verändert, ebenso der Blick in
die Tiefe, wo noch nicht geborgene Schätze lagern und ganz wichtig:
das Experiment, ein Möglichkeitsraum. «Der schlimmste Vorwurf, den man
mir machen könnte, wäre der, ich hätte einen Stil entwickelt. Das
würde ja bedeuten, dass ich aufgehört habe zu experimentieren». Dieses
Statement stammt von einem Gestalter, der mit dem Entwurf eines
eigentlichen beinlosen Stuhls weltberühmt wurde. Verner Panton, ein
unermüdlicher Nestkonstrukteur und einfallsreicher
Geschicklichkeitskünstler, führt das Spiel mit den Farben und Sinnen
zum Höhepunkt. Von der Bauhausbewegung beeinflusst hat er mit seinem
ganzheitlichen Gestaltungswillen, den gesamten Raum, also Boden, Wand,
Decke umspannt und knüpft dabei an historische Raumvorstellungen an,
die ihm als Anregungen dienen.
Studium der Kunstgeschichte, Geschichte und Politischen
Wissenschaft in Heidelberg und Berlin (M.A.). 2005 Promotion im FB
Architektur an der Universität der Künste Berlin bei Prof. Dr.
Johann F. Geist (Dr. Ing.). Die Arbeitsschwerpunkte liegen in den
Bereichen Denkmalpflege, Architekturfarbigkeit sowie der Wahrnehmung
der Stadt. Seit 1996 tätig als bauhistorische Gutachterin, Autorin
und Unternehmensberaterin. Lehraufträge an der FH Potsdam und am
»Haus der Farbe« in Zürich. Seit Juni 2014 wissenschaftliche
Mitarbeiterin an der Bergischen Universität Wuppertal im Lehrgebiet
»Didaktik der Visuellen Kommunikation« und Koordinatorin des
Forschungsprojektes: »Farbakademie - Erforschung des Bildungs- und
Praxisfeldes Farbe«.
Klaus Jan Philipp
Farbe interpretiert Architektur
Farbe begleitet Architektur als Materialfarbe oder als applizierte
Farbe seit den ersten Anfängen. Farbe unterstützt die Struktur eines
Bauwerks, sie kann ihr auch entgegenarbeiten und ein Eigenleben
führen. Bauten werden bunt geschmückt, bedacht auf ihre Umgebung
farbig gefasst oder sind monochrome Solitäre, auf denen sich die
Farben der Umgebung abzeichnen. Immer ist Farbe mit im Spiel. Eine
farblose Architektur gibt es nicht. Im Vortrag werden Beispiele aus
der Geschichte der europäischen Architektur präsentiert und deren
Farbgeschichten dargestellt. Dabei wird deutlich, dass Farbe ein
Medium ist, das Bauten immer wieder neu interpretiert.
*1957, studierte Kunstgeschichte, Geschichte, Klassische
Archäologie in Marburg und Berlin (FU). 1985 wurde er in Marburg mit
einer Arbeit über spätmittelalterliche Sakralarchitektur promoviert
(„Pfarrkirchen. Funktion, Motivation, Architektur“). 1988/89
erarbeitete er am Deutschen Architekturmuseum, Frankfurt am Main die
Ausstellung „Revolutionsarchitektur“. Von 1989 bis 1996 war er
Assistent am Institut für Architekturgeschichte der Universität
Stuttgart, wo er sich 1996 mit der Arbeit „Um 1800:
Architekturtheorie und Architekturkritik in Deutschland“
habilitierte. Nach einer Vertretungsprofessur in Bonn und einer
Hochschuldozentur in Stuttgart war er von 2003–2008 Professor für
Baugeschichte an der Hochschule für bildende Künste Hamburg (ab 2006
HafenCity Universität). Seit 2008 leitet er als Professor das
Institut für Architekturgeschichte der Universität Stuttgart. Ab
2014 ist Dekan der Fakultät Architektur und Stadtplanung der
Universität Stuttgart.
Zahlreiche Publikationen zur Architektur
und Architekturtheorie.
Rolf Sachsse
Radeln im virtuellen Stadtraum - Jeffrey Shaw‘s
Legible City
als Modell farbiger Orte
"The Legible City" von Jeffrey Shaw markiert in seinen verschiedenen
Zuständen einen Wendepunkt im Raumverständnis der bildenden Kunst wie
der Architektur. Die Arbeit ermöglichte eine unmittelbare, quasi
immersive Teilhabe am virtuellen Raum, eine für die Computerkunst
damals vollkommen neue Qualität. Insofern lässt sich sagen, dass der
erste virtuelle Raum, der als solcher erlebt werden kann, indem man
sich selbst in ihm bewegt – und nicht, wie bei früheren Installationen
durch Bewegungen allein Reize und Reaktionen stimuliert – ein urbaner
Raum ist, abstrakt zwar, aber in jeder Hinsicht und vor allem farbig
ein Raum der modernen Stadt.
Rolf Sachsse ist seit 2004 Professor für Designgeschichte und
Designtheorie an der Hochschule der Bildenden Künste Saar in
Saarbrücken und seit 2013 auch Prorektor für Lehre und Wissenschaft.
Er hat zu Themen der Medien, Fotografie, Architektur, Klangkunst und
des Designs publiziert:
www.hbksaar.de/personen/details/sachsse.
Matthias Sauerbruch
Farbe als Material
Farbkonzepte sind wesentlich für die Herangehensweise des von Louisa
Hutton und Matthias Sauerbruch gegründeten Studios für Architektur,
Städtebau und Design. Wie kaum andere Architekten haben sie in den 25
Jahren ihres Schaffens Farbe als Material der Architektur neu
definiert.
In seinem Beitrag legt Matthias Sauerbruch dar, welche Rolle Farbe bei
der Wahrnehmung von Zwei- bzw. Dreidimensionalität spielen kann.
Ausgehend von der Feststellung, dass Architektur heute fast
ausschließlich als Bild kommuniziert, gelesen und bewertet wird, zeigt
er auf, wie darüber hinaus das Wechselspiel zwischen konstruktiver
Solidität und raumbildender Oberfläche, zwischen physischem und
visuellem Raum das Büro zur Arbeit mit Farbe geführt hat. Die
Experimente mit farbigen Fassaden bezogen sich zunächst auf eine
Anordnung von farbigen Elementen in der Stadt. In Situationen, die von
Mobilität und Bewegung geprägt sind, hat die bewegte Wahrnehmung die
Architekten dann zu einem verstärkten Interesse an einer
cinematographischen Sichtweise der Stadt und ihrer Architektur
geführt.
Am Beispiel von vier von Sauerbruch Hutton geplanten und realisierten
Projekten wird das Konzept der kinetischen Polychromie eingeführt und
erläutert: Die prosaische Ebene objektiver Gegebenheiten des
Stadtraums wird um eine Ebene wechselnder, sich überlagernder Bilder
der strukturierten Farbräume erweitert, die in der Wahrnehmung aus
bewegter Perspektive eine lebendige Vieldeutigkeit der Baukörper
erzeugen. Einzelne Häuser werden zu Episoden in kontinuierlichen
Abfolgen von Szenen. Die Windschutzscheibe des vorbeifahrenden Autos
wird zur Projektionsfläche, zum Bildschirm der Realität.
*1955, Prof. Dipl. Ing, AA Dipl, Hon. FAIA Matthias Sauerbruch ist
Architekt und Gründungspartner von Sauerbruch Hutton. Er war
Professor an der TU Berlin, an der Akademie der Bildenden Künste
Stuttgart, an der Harvard Graduate School of Design und an der
Universität der Künste Berlin. Matthias Sauerbruch ist
Gründungsmitglied der Deutschen Gesellschaft für nachhaltiges Bauen
und gehört dem Kuratorium der Stiftung Bauhaus Dessau sowie der
Kommission für Stadtgestaltung München an. Er ist Honorary Fellow
des American Institute of Architects und Mitglied der Akademie der
Künste, Berlin.
Foto: © Kalle Koponen
Karl Schawelka
Die Freude an der Farbe und ihr Schatten
Für die kulturübergreifend beliebten Paradiesesdarstellungen ist
Buntheit kennzeichnend. Unsere Liebe zur Farbe und die vielen
Maßnahmen eine von Menschen gestaltete Umwelt einem Paradies
anzunähern stehen damit im Einklang. Die Sehnsucht nach dem Paradies
lässt sich zwar biologisch gut begründen und viele Kulturphänomene
werden dadurch verständlich, es trifft auch zu, dass es uns „zu bunt“
werden kann. Im Vortrag wird die These entwickelt dass es auch einen
antagonistischen Prozess geben muss der der ungehemmten Freude an der
Farbe entgegen wirkt. Unsere Kleidung oder unsere Umwelt sind
keineswegs so bunt wie es möglich wäre. Sozialer Zwang allein reicht
zur Erklärung nicht aus. Verschiedene Modelle eines dialektischen
Zusammenwirkens von Chromophilie und Chromophobie werden kurz
angeführt. Gibt es einen Regelkreis oder einen optimalen Wert?
Wenn Buntheit auf unsere emotionale Befindlichkeit einwirkt und das
Belohnungssystem des Körpers aktiviert, so dürfte umgekehrt auch der
Zustand unseres Körpers einen Einfluss darauf haben wie wir Farbe
wahrnehmen und sie bewerten. Sie kann beispielsweise bei Schwerarbeit
oder in einer Prüfungssituation fehl am Platze sein und stören. Je
nach den dringenden biologischen Aufgaben, die sich der Körper stellt,
läuft die Farbwahrnehmung anders ab. Farben erzeugen Aufmerksamkeit
und sollten nach Maßgabe der im Augenblick geltenden Prioritäten diese
auch verdienen. Die Semantik spielt dabei eine Rolle, d.h. die Frage
welche Objekte welche Farben aufweisen und ob dies in der gegebenen
Situation gerechtfertigt ist. Farben gliedern das Wahrgenommene. Was
die gleiche Farbe aufweist sollte zusammen gehören. Bei solchen
Bewertungsvorgängen der Umgebungsfarbigkeit je nach Zustand des
Wahrnehmenden geht es nicht mehr allein um die Farbigkeit sondern um
eine Gesamtbewertung hinsichtlich der im Augenblick zu lösenden
Aufgaben in der auch kulturelle und soziale Faktoren eine Rolle
spielen. Eine rein ästhetische Betrachtung ist unzureichend.
Prof. Dr. Karl Schawelka hat zunächst Malerei studiert, ehe er sich
der Kunstgeschichte zuwandte. Nach Promotion und Habilitation in
München und Stationen in Erlangen und Kassel vertrat er von 1993 bis
2010 an der Bauhaus-Universität Weimar das Lehrgebiet „Geschichte
und Theorie der Kunst“. Von 2002-2007 war er Vorsitzender des
Deutschen Farbenzentrums. Seine Forschungsschwerpunkte sind:
Zeitgenössische Kunst, Kunsttheorie, Wahrnehmungslehre und Theorie
der Farbe, sowie Kunst im öffentlichen Raum.
Hermann Schmitz
Schall und Farbe in Raum und Zeit
*1928 in Leipzig, studierte von 1949 - 1953 Philosophie an der
Universität Bonn. 1955 promovierte er mit einer Dissertation über
"Goethes Altersdenken in Begriff und Symbol", 1958 war er Assistent
am Philosophischen Seminar der Universität Kiel mit abschließender
Habilitation mit dem Thema "Hegel als Denker der Individualität", ab
1971 leitete er das Kieler Philosophische Seminar bis zur
Emeritierung 1993.
Hermann Schmitz gilt als Begründer der "Neuen Phänomenologie" und
sein bedeutenstes Werk ist die zehn Bände umfassende Schrift "System
der Philosophie", welche er 1964 - 1980 veröffentlichte. Seine als
anwendungsorientierte Philosophie bezeichnete Lehre hat Auswirkungen
auf die fachfremden Disziplinen Medizin, Psychologie und Architekur.
Thomas H. Schmitz
Magisches Grau
Die Farbe Grau wird am Beispiel Dimitris Pikionis’ architektonischer
Interventionen auf dem Athener Philopappou und auf dem Nymphen-Hügel
als eine hybride Farbe beschrieben. Dieses Werk kann vor dem
Hintergrund seiner Biografie als gekonnte Anwendung des spezifischen
Denkens eines ausgebildeten Malers im Kontext des Bauens gedeutet
werden. Auf diese Weise erklären die vielen, bis ins kleinste Detail
geplanten Materialsprünge und Verarbeitungsdetails innerhalb des
Graukonglomerates das Zusammenspiel von unbunten, z.T. historischen
Steinmaterialien mit Landschaft und Himmel. Hier erweist sich Pikionis
als ein Meister im Umgang mit Steinen, die -etwa wie Cezannes
‚Taches’- nicht nur nach grafischen, sondern genauso nach
koloristischen Gesichtspunkten gesetzt sind. Sie erlangen ihre
Vielschichtigkeit erst in ihrer bewusst komponierten Einfügung in ein
großes Ganzes.
*1956 in Hachenburg, studierte Architektur an der Technischen
Hochschule Darmstadt. Von 1985 – 1987 war er wissenschaftlicher
Mitarbeiter am Lehrstuhl für Architekturzeichnen und Raumgestaltung
an der TU Braunschweig. 1987 arbeitet er als Mitarbeiter im Büro
Prof. Thomas Sieverts in Bonn. Seit 1988 ist er als freier Künstler
im Grenzbereich von Architektur und Kunst tätig und folgte 1993 dem
Ruf auf die Professur für Freihandzeichnen, künstlerisches Gestalten
und Entwerfen im Fachbereich Architektur an die FH Kaiserslautern.
Seit 2007 ist er Professor für Bildnerische Gestaltung an der RWTH
Aachen, welcher 2019 in Künstlerische Gestaltung umbenannt wurde.
Uwe Schröder
Himmelblau - Von der Maskierung der Wand zur
Bekleidung des Raumes
*1964 in Bonn, studierte Architektur an der Rheinisch-Westfälischen
Technischen Hochschule Aachen und an der Kunstakademie Düsseldorf.
Seit 1993 unterhält er ein eigenes Büro in Bonn. Nach Lehraufträgen
in Bochum und Köln war er von 2004 bis 2008 Professor für Entwerfen
und Architekturtheorie an der Fachhochschule Köln, seit 2008 ist er
Professor am Lehr- und Forschungsgebiet Raumgestaltung an der RWTH
Aachen. Seit 2009 ist er regelmäßiger Gastprofessor an der
Università di Bologna.
Lino Sibillano
Farbkultur im Baselbiet - Siedlungen und
Industriebauten ziwschen 1890 und 1945
An Baselbieter Siedlungen und Industriebauten aus der ersten Hälfte
des 20. Jahrhunderts ist farbgeschichtlich eine bemerkenswerte
Beobachtung zu machen. Bis um 1890 waren die Häuser im Baselbiet
einheitlich hell und fein nuanciert, die architekturgliedernden
Details sandsteinrot oder grau gefasst, die Fensterläden grün. Bei
Siedlungen und Industriebauten erfolgte dann jedoch oft eine Umkehr
der Hell-Dunkel-Werte und eine Hinwendung zu bunteren Fassadenfarben.
Studium der Kunstgeschichte, Theater- und Musikwissenschaft an den
Universitäten Zürich und Bern. Von 1998 bis 2001 Assistent am
Collegium Helveticum, einem Institut für Transdisziplinarität der
ETH Zürich, wo er unter anderem das Artist-in-Residence-Programm
betreute. Seit 2001 Co-Leiter am Haus der Farbe – Fachschule für
Gestaltung in Handwerk und Architektur in Zürich. 2004 Mitbegründer
von PROJEKT ART+, einem Labor für disziplinen- und
kulturenübergreifende künstlerische Zusammenarbeit. Daraus
entstanden ist die Internetplattform
www.citysharing.ch.
Im Rahmen der Forschungswerkstatt vom Haus der Farbe haben
Stefanie Wettstein und Lino
Sibillano verschiedene Bücher und Texte zum Thema Farbgestaltung in
der Architektur publiziert.
Jens Soentgen
Rot
Farbpigmente sind Stoffe. Als Stoffe unterliegen sie Transformationen
und üben materielle Wirkungen aus. Die Frage nach der Stofflichkeit
und damit der Reaktivität der Farbpigmente eröffnet einen
eigenständigen Zugang zur Farbe, der auch historische Verwendungen und
Bedeutungszuweisungen verständlich macht. Dieser Zugang soll hier am
Beispiel von Ocker und Zinnober, zwei alten Rotpigmenten erprobt
werden.
Dr. Jens Soentgen Geboren 1967 in Bensberg, studierte ursprünglich
Chemie (Staatsexamen 1994), promovierte aber in Philosophie, mit
einer Arbeit über den Stoffbegriff (1996). Lehraufträge führten ihn
anschließend an verschiedene Universitäten in der Bundesrepublik.
Zweimal war er in Brasilien als Gastdozent für Philosophie tätig
(UFG, Goiânia 1999-2000; PUCRS, Porto Alegre, 2001-2002). Nach
Tätigkeit als selbständiger Journalist und Autor in Frankfurt am
Main ist Soentgen seit 2002 wissenschaftlicher Leiter des
Wissenschaftszentrums Umwelt der Universität Augsburg. Habilitation
2015 (in Philosophie). Gemeinsam mit einem interdisziplinären Team
konzipierte und realisierte er die Ausstellungen Staub – Spiegel der
Umwelt (www.staubausstellung.de) und CO2 – Ein Stoff und seine
Geschichte (www.co2-story.de), sowie Grüner Klee und Dynamit – Der
Stickstoff und das Leben (www.stickstoffausstellung.de), die in
zahlreichen Museen sowie auf Messen im In- und Ausland gezeigt
wurden und werden. Jens Soentgen ist Mitherausgeber der Zeitschrift
Gaia – Ökologische Perspektiven für Wissenschaft und Gesellschaft
und gibt im oekom-Verlag gemeinsam mit dem Chemiker Armin Reller die
Reihe Stoffgeschichten heraus (inzwischen 9 Bände) Seine
wissenschaftlichen und populärwissenschaftlichen Werke widmen sich
insbesondere der Geschichte von Stoffen, sie wurden mehrfach
ausgezeichnet. Aktuelle Publikation: N: Die Weltgeschichte des
Stickstoffs. Hg. gemeinsam mit Gerhard Ertl, oekom Verlag, November
2015; Wie man mit dem Feuer philosophiert – Chemie und Alchemie für
Furchtlose. (Wuppertal: Peter Hammer Verlag 2015)
Manfred Speidel
Bruno Taut - Natur und Farben im Innenraum
Tauts persönliche und keineswegs auf zeitgenössischen Farbentheorien
basierende Farbenwahl erhielt ihren Sinn aus Tauts Studium von Licht
und den Farben der Natur. Die gleichen Farben ändern ihren Eindruck je
nachdem, ob sie im Licht oder im Schatten oder unter künstlicher
Beleuchtung erlebt werden. Taut komponiert die Farben seiner
Innenräume sodann im Zusammenspiel mit den Naturfarben des Gartens
oder der Umgebung. Taut denkt die Raumfarben auch im Zusammenklang mit
den Farben der Kleidung, um den Menschen und nicht den Möbeln die
Dominanz im Raum zu geben. Es kommt darauf an, wie die Menschen in dem
Raum wirken. Gegenüber der Form ist die Farbe der emotionale Teil der
Architektur. Bei Taut kann sie dabei auch durchaus formauflösend
wirken. An den Beispielen Villa Hyuga in Atami, der Erneuerung der
Dorfkirche in Unterriexingen sowie seinem Wohnhaus in Dahlewitz, wird
die spezielle Verwendung der Farbe bei Taut betrachtet.
Manfred Speidel lehrte bis 2001 Architekturtheorie an der RWTH
Aachen. Seine Arbeitsschwerpunkte sind u.a. die Architektur Japans
und das Lebenswerk Bruno Tauts, dessen Schriften Manfred Speidel
beim Gebr. Mann Verlag neu herausbringt.
Jakob Steinbrenner
Wo ist sie denn, die Farbe? Philosophische
Verortung der Farbe zwischen Relativismus und Reduktionismus
Für den gewöhnlichen Mann auf der Straße scheint es einleuchtend zu
sein, dass Farben sichtbare Eigenschaften der Gegenstände sind. Für
Philosophen ist dies alles andere als klar. So reichen die in der
Philosophie vertretenen Auffassungen von der Leugnung der Existenz von
Farben über die Vorstellung, dass Farben nur in unserem Geist
existieren bis zur Auffassung, dass Farben bestimmte
Oberflächenstrukturen sind. In dem Vortrag soll ein kurzer kritischer
Überblick über die verschiedenen Positionen gegeben werden.
*in Frankfurt. Studium der Philosophie, Germanistik und
Kunstgeschichte in Frankfurt und München. Habilitation im Fach
Philosophie in München 2002. Professurvertretungen an der LMU
München, der Uni. Stuttgart und der Uni. Münster, seit Oktober 2012
wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Philosophie der Uni.
Stuttgart. Er ist Mitherausgeber von Farben: Betrachtungen aus
Philosophie und Naturwissenschaften, Frankfurt a. M.: Suhrkamp (stw)
2007 (zus. mit S. Glasauer); und Farben in Kunst- und
Geisteswissenschaften, Regensburg: Schnell & Steiner, 2011 (zus. mit
C. Wagner u. O. Jehle).
Katrin Trautwein
Die Farbe ist Material
Die Farbe Lichtweiss funkelt wie frisch gefallener Schnee. Sie setzt
sich aus Marmorkristallen, Wasser und Weissleim zusammen.
Elfenbeinschwarz, das von Le Corbusier, Renoir und anderen Künstlern
bevorzugte Schwarz, ist aus geglühten Rinderknochen. Mischungen der
beiden Farben erzeugen leuchtende Grautöne. Wie verändert sich ein
Raum, den man nicht mit Farben aus diesen Pigmenten sondern mit Farben
gestaltet, die im Farbton gleich aber aus konventionellen Titanweiss-
und Oxidschwarzpigmenten sind? Mit Blick auf die im Raum wirksamen und
als Atmosphäre erfahrbaren Wechselwirkungen zwischen Oberflächen,
Pigmenten und Licht schlägt der Vortrag eine Antwort vor.
*1962, Chemikerin, Doktorarbeit auf dem Gebiet der
Evolutionsbiologie, Gründerin und Geschäftsführerin der
Farbmanufaktur kt.color. Von Farbproben ausgehend ab 1997 die
Erforschung der Farben, die Le Corbusier in seiner Architektur
einsetzte. Nach der Herausgabe der Farben Le Corbusiers folgten
weitere ökologisch hochstehende und spektakuläre Farbreihen, die
ihrer Firma weltweit Aufmerksamkeit brachten. Neuere Publikationen:
128 Farben, Musterbuch für Architekten, Denkmalpfleger und
Restauratoren (Birkhäuser, 2010) und Schwarz (Lars Müller, 2014). Ab
April 2016 Scholar-in-Residence des Getty Centers in Kalifornien,
Auszeichnung des Deutschen Werkbunds mit dem Werkbund Label 2014.
Wim van den Bergh
*1955 in Brunssum (NL), ist praktizierender Architekt, Gelehrter
und Lehrer. Er studierte Bauingenieurwesen und Architektur an der
Universität Eindhoven (NL). Als Architekt erhielt er neben anderen
Auszeichnungen 1986 die Goldmedaille des “Prix de Rome für
Architektur”. Seine Entwürfe wurden vielfach veröffentlicht und
ausgestellt. Neben seiner Tätigkeit als Designer, Architekt /
Forscher, gründete er “ICARU-S” (International Center for
Architectural Research and Urban Studies). Zwischen 1988 bis 1993
war an der Architectural Association School of Architecture in
London, in 1992/94/97 war er Gastprofessor an der Cooper Union in
New York und war als Gastprofessor in Dänemark, Finnland,
Deutschland und der Schweiz. Von 1993 bis 2002 war er der Leiter der
Akademie für Architektur in Maastricht, 1996-99 war er Professor für
Architektur an der Delft University und von 1997 bis 2001 ebenfalls
an der Universität Eindhoven. Zur Zeit ist er Gastprofessor an der
Mackintosh School of Architecture in Glasgow und Vollzeit-Professor
an der RWTH Aachen, wo er den Lehrstuhl für Wohnbau und Entwerfen
halt. In seinen veröffentlichten Forschungsprojekten beschäftigte er
sich unter anderem mit russischer Avantgarde-Architektur, Villen,
Wohnbau, Museumskonzepten, Pataphysik, dem Labyrinth und dem Turm
von Babel, Design als Forschung, Architekturlehre, dem Penthouse von
Charles De Beistigui, dem Haus von Curzio Malaparte, dem House von
K.S. Melnikov und den Arbeiten von Architekten wie F.P.J. Peutz,
John Hejduk, Dom Hans van der Laan, Raoul Bunschoten und Luis
Barragán.
Stefanie Wettstein
Farbkultur im Baselbiet - Siedlungen und
Industriebauten ziwschen 1890 und 1945
An Baselbieter Siedlungen und Industriebauten aus der ersten Hälfte
des 20. Jahrhunderts ist farbgeschichtlich eine bemerkenswerte
Beobachtung zu machen. Bis um 1890 waren die Häuser im Baselbiet
einheitlich hell und fein nuanciert, die architekturgliedernden
Details sandsteinrot oder grau gefasst, die Fensterläden grün. Bei
Siedlungen und Industriebauten erfolgte dann jedoch oft eine Umkehr
der Hell-Dunkel-Werte und eine Hinwendung zu bunteren
Fassadenfarben.
Studium der Kunstgeschichte an der Universität Zürich. 1996
promovierte sie mit einer Dissertation über Dekorationsmalerei um
1900. Von 1986 bis 1999 hat sie im Bauforschungsteam der Firma
Fontana & Fontana AG, Werkstätten für Malerei in Jona-Rapperswil
gearbeitet. Von 1993 bis 1997 war sie Assistentin bei Prof. Werner
Oechslin am Institut für Geschichte und Theorie der ETH Zürich. Seit
1999 ist sie Co-Leiterin am Haus der Farbe – Fachschule für
Gestaltung in Handwerk und Architektur in Zürich.
Im Rahmen der
Forschungswerkstatt vom Haus der Farbe haben Stefanie Wettstein und
Lino Sibillano verschiedene
Bücher und Texte zum Thema Farbgestaltung in der Architektur
publiziert.
Birgit Wiens
Am Nullpunkt der Szenographie? Bert Neumann
Schwarzer Raum für die Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz, Berlin
(2015): gestalterische Provokation und Arbeit am Ästhetischen
Bühnenbild und Szenographie sind im Theater diejenigen Künste, die
mit Farben, Farbwirkungen und Lichtkonzepten operieren. Farben
transportieren Bedeutungen, und auf der Bühne erhalten sie Zeichen-
und Symbolfunktion und sind wesentlicher Faktor bei der Herstellung
von Atmosphären (G.Böhme), die sich im Wechselspiel zwischen
Entwurf, performativen Prozessen/Aufführung und deren ästhetischer
Wahrnehmung durch ein Publikum entfalten. Insofern ist die Frage
nach den Farben bzw. nach den ‚Orten der Farbe’ insbesondere auch
ein Thema der Theaterwissenschaft. Exemplarisch befasst sich der
Beitrag mit einem Raumentwurf von Bert Neumann, dem langjährigen
Chefbühnenbildner der Berliner Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz
unter der Intendanz Frank Castorfs, die 1992, kurz nach der
deutschen Wiedervereinigung, begann und 2017 endet. Im Großen Saal
des Theaters ließ Neumann für die beiden letzten Spielzeiten dieser
Intendanz ein ‚Dauerbühnenbild’, einen variablen Grundraum
installieren, der – monochrom schwarz – die Raumparameter und
szenographischen Gestaltungen des Theaters gleichsam übermalt und
auf ‚Null’ stellt. Der Beitrag analysiert den Raum als
atmosphärischen Raum, plädiert aber dafür, ihn nicht allein unter
Aspekten der Farbwirkung und Farbsymbolik zu betrachten. Bezüge zu
Malewitschs Gemälde „Schwarzes Quadrat auf weißem Grund“ (1915)
legen vielmehr nahe, in Neumanns „Schwarzem Raum“ die Geste einer
Negation zu erkennen, die grundständige Fragen nach den
ästhetischen, sozialen und politischen Aspekten von Raumproduktion
und -wahrnehmung aufwirft.
Birgit Wiens, Dr. phil. habil., Theaterwissenschaftlerin, ist
Fellow im Heisenberg-Programm der Deutschen Forschungsgemeinschaft
(DFG) mit dem Forschungsprojekt „Szenographie: Episteme und
ästhetische Produktivität in den Künsten der Gegenwart“ und
Privatdozentin an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Nach
dem Studium an der LMU München und an der Washington University,
St.Louis, USA hat Birgit Wiens 1998 in München promoviert; danach
Tätigkeit als Dramaturgin, Kuratorin und Projektleiterin (u.a.
Bayerisches Staatsschauspiel, ZKM Karlsruhe) sowie Lehraufträge an
der HfG Karlsruhe u.a. 2004-09 war sie Theorieprofessorin an der
Hochschule für Bildende Künste Dresden/Studiengang Bühnen- und
Kostümbild. 2010-13 Realisierung des DFG-geförderten Projekts
„Intermediale Szenographie“, 2013 Habilitation (LMU München). Div.
Publikationen, zuletzt: „Intermediale Szenographie.
Raum-Ästhetiken des Theaters am Beginn des 21. Jahrhunderts“ (Fink
Verlag Paderborn, 2014).
www.birgit-wiens.de
im Webarchiv.
Klaus W. v. Hinckeldey
Anmerkungen zur Verarbeitung von
Farbe, Form und Raum im menschlichen Gehirn
Menschen mit unbeeinträchtigter Farbsichtigkeit erleben die sie
umgebende Welt als ausgestattet mit einer Fülle an Farben, die
sich hinsichtlich Farbton, Helligkeit und Sättigung
charakterisieren lassen. Da Farben an Objekte, Räume und
Umweltszenen sowie an deren Fixierung in analogen und digitalen
Medien gebunden sind, ist ein zentrales Thema der
Neurowissenschaften, wie die große Fülle an visueller Information,
die über die Retina ins Gehirn gelangt, trotz fortlaufender
Augen-, Kopf und Körperbewegungen sowie sich verändernder Umwelt
(Beleuchtungsverhältnisse, Schattenbildung, Objektbewegungen) zu
einem stabilen subjektiven Perzept der visuellen Welt verarbeitet
werden kann. Verfeinerte neurowissenschaftliche Methoden haben
dazu geführt, dass etablierte Ansichten und Theorien über die
segregierte, modulare Verarbeitung verschiedener Facetten des
retinalen Abbilds sowie deren Integration zu einem einheitlichen
Perzept modifiziert werden mussten. Auch die sprachliche
Charakterisierung von Farben mit bestimmten Farbnamen und deren
mögliche Universalität ist ein nicht abgeschlossenes Thema. Weit
strittiger und weniger gut erforscht sind die Auswirkungen der
Farbwahrnehmung auf das Erleben und Verhalten von Menschen auch
über den ästhetischen Eindruck hinaus. Von Kindheit an ist die
Farbwahrnehmung an explizite und implizite subtile Assoziationen
mit bestimmten Erfahrungen, Botschaften und Konzepten in
bestimmten Situationen geknüpft, die eine individuelle lebenslange
Lerngeschichte konstituieren. Es gibt aber auch Annahmen darüber,
dass einige dieser Assoziationen sich aus evolutionär vorgeformten
Prädispositionen zum Einfluss bestimmter Farben ergeben und daher
interindividuell zu ähnlichen Gefühlen, Gedanken und
Verhaltensweisen führen. Diese können aber je nach situativem
Kontext sehr unterschiedlich ausfallen. Entsprechend sind viele
Ergebnisse angewandter Design- und Konsumentenforschung zur
Auswirkung farblicher Gestaltung von Räumen methodisch nicht
haltbar.
Univ.-Prof. Dr. rer. nat. Klaus Willmes-von Hinckeldey ist
Professor für Neuropsychologie und leitet das Lehr- und
Forschungsgebiet Neuropsychologie an der Klinik für Neurologie
in der Uniklinik der RWTH Aachen mit Aufgaben in Lehre,
Forschung und neuropsychologischer Diagnostik. Nach dem Studium
der Mathematik (Diplom 1974) und Psychologie (Diplom 1979) an
der RWTH Aachen wurde er 1979 Mitarbeiter in der
Forschungsgruppe Aphasie von Prof. Poeck, promovierte 1987 an
der Universität Trier und habilitierte 1994 an der Universität
Bielefeld. Er war maßgeblich am Aufbau der Logopädiestudiengänge
(Diplom, BSc. und MSc.) der Medizinischen und Philosophischen
Fakultät an der RWTH Aachen beteiligt. Seit 2014 ist er zudem
Direktor des Kompetenzzentrums für Gebärdensprache und Gestik –
SignGes – an der Philosophischen Fakultät der RWTH Aachen. Seine
neuropsychologischen Forschungsschwerpunkte sind numerische
Kognition und Akalkulie sowie Aufmerksamkeitsfunktionen und
deren Störungen sowie der Einsatz von funktioneller Bildgebung
in der kognitiven Neuropsychologie. Die Publikationen umfassen 8
psychologische Testverfahren und über 250 Originalarbeiten in
internationalen und nationalen Fachzeitschriften.