Das zweckhafte Anordnen und Errichten von Räumen an Orten ist Aufgabe
der Architektur. In der wechselseitigen Beziehung zwischen
architektonischen Formen und Räumen und den äußeren und inneren
Bedingtheiten, unter denen sie wahrgenommen werden, kommt besonders
der Farbe als Phänomen eine besondere Bedeutung zu. Aufgrund ihrer
dialektischen Begründung als physikalische Tatsache und als
physiologische Erscheinung ist eine rein naturwissenschaftliche
Beschreibung ebenso unzulänglich, wie eine rein subjektive Deutung.
Das Phänomen Farbe entwickelt eine Wirkung als Interaktion von
Subjekt, Materie, Raum, Licht und Zeit unabhängig von seiner
Definition und Entstehung. Es existiert kein Ort ohne Farbe.
Die Erforschung dieses komplexen Wirkungsmechanismus als Grundlage
gestalterischer Strategien in allen Bereichen der gesellschaftlichen
Umgebung kann unter Einbeziehung des Subjektiven und unter
Berücksichtigung zahlreicher Positionen aus unterschiedlichen
Fachgebieten gelingen. Das Vorhaben einer interdisziplinären
wissenschaftlichen Tagung „Orte der Farbe“ resultiert aus dieser
Überlegung.
Die Teilnehmer sind programmatisch aufgefordert, ihre Beiträge mit der
subjektiven Schilderung einer räumlichen Situation (Orte der Farbe)
einzuleiten, um an- und abschließend in der verallgemeinernden,
objektiven Darstellung ihrer jeweiligen Disziplin Aufklärung,
Auslegung und ein Resümee zu formulieren. Der ‚Ort der Farbe’ ist aber
nur vordergründig der mit dem Beobachten und Beschreiben bestimmte
Ausgangspunkt, dem Phänomen der Farbe hintergründig nachzugehen.
Das Beschreiben der Farbe vor Ort findet in differenzierten Maßstäben
der Annäherung statt. Dabei kann ein Ort der Punkt auf einer
Oberfläche sein oder auch den erlebbaren Zusammenhalt einer Landschaft
umfassen. Als ‚Orte der Farbe’ kommen Oberflächen, Stoffe und
Materialien, Dinge oder Elemente, Einzelheiten wie Wände, Decken oder
Tafeln, Öffnungen von Fenstern, Türen oder Nischen, Zimmer,
Wohnungen,Häuser und Höfe, Straßen und Plätze, Quartiere, Städte, Land
und Landschaften, mit anderen Worten: alle denkbar möglichen,
räumlichen Situationen in Betracht.
Nur eine Vielzahl internationaler Referenten und Autoren aus
verschiedenen Disziplinen kann die umfassende Expertise zur Farbe in
der Architektur und für die Architektur erschließen und die Diskussion
von Fragestellungen zu kulturellen und gesellschaftlichen, zu
historischen und zeitgenössischen, zu phänomenologischen,
psychologischen und neurologischen, zu materiellen und konstruktiven,
zu theoretischen und zu gestalterischen, künstlerischen und
entwurflichen Grundlagen der Farbe in der Architektur in Gang bringen
und diese in den Kontext eines weiter gefassten Forschungshorizontes
zur Polychromie in der Architektur stellen.